Musikalische
Untermalungen ungedrehter Filme sind die Ergebnisse eines Fotografen
und Videokünstlers, der sich mit einem Literaturstudenten
dazu entschließt gemeinsam Musik zu machen. "Finished
Soundtracks For Unshot Films" klingt dabei mehr wie ein
Experiment, musikalisch diese Filme so unterschiedlich wie möglich
zu gestalten, als nur einen Eindruck beim Hörer zu hinterlassen.
Elektronische Feinheiten treffen hierbei gekonnt auf epische
Klangwelten und gestaltet somit das Album des Duos sehr abwechslungsreich.
ELECTRIC
DIARY: Ihr habt vorher schon zusammen in anderen
Projekten gespielt. Bitte erzählt doch anfangs wie es entgültig
zum Zusammenschluss von Antridge gekommen ist.
MAINZ:
Wir beide kennen uns aus unser gemeinsamen Zeit in Benelux.
PLEIL:
Wir
haben zusammen verschiedene Kunst- und Eventsachen gemacht.
Arsenal war das erste gemeinsame Bandprojekt.
MAINZ:
Arsenal
war der Brutkasten für Artridge. Allerdings gab es zuviele
gegensätzliche Meinungen und Vorstellungen. Heute machen
wir in dieser Hinsicht keine Kompromisse mehr.
ELECTRIC
DIARY: Wenn ich das richtig verstanden habe, habt
ihr vorher mit Arsenal (der Band zuvor) Punk Rock fabriziert.
Wie kommt ihr davon zu einem Projekt wie Artridge, welches musikalisch
in eine völlig andere Richtung tendiert?
PLEIL:
Arsenal ging eigentlich in eine ähnliche Richtung, war
vielleicht noch maschineller, industrieller. Unsere Wurzeln
liegen - unabhängig voneinander - im Punk, Noise oder Artrock-Bereich.
Und diese Wurzeln pflegen wir. Nach wie vor.
ELECTRIC
DIARY: Musikalisch gestaltet sich Artridge aber sehr
offen und verschmelzt sehr viele unterschiedliche Arten von
Musik, so bekommt man Clicks & Cuts Sounds, orchestrale
Einflüsse, Dub Ausflüge, ja sogar Jazz zu hören.
PLEIL:
Wenn andere sich in Bescheidenheit üben, dann legen wir
gerne noch einen drauf.
MAINZ:
Anders gesagt: Wir versuchen, genretypische Schablonen weitgehend
zu vermeiden. Den Luxus leisten wir uns.
ELECTRIC
DIARY: Als Einzelkünstler kann ich es mir vorstellen,
so viele Stile unter einen Hut zu bekommen, aber in einer Band?
Habt ihr beiden so ein breites Spektrum an Musik was euch interessiert
und seid euch einig, wo die musikalische Reise mit Artridge
hingehen soll? Oder muss man in einer Band auch Kompromisse
eingehen?
PLEIL:
Also, ganz ehrlich - es ist gar keine Band ...
MAINZ:
Nicht im klassischen Sinne zumindest. Manche Leute klinken sich
für einzelne Tracks ein.
PLEIL:
Aber den Rahmen geben wir vor.
MAINZ:
Ja, und er!
PLEIL:
The Man in the Middle.
MAINZ:
Er
ist Schuld am 4. Oktober.
ELECTRIC
DIARY: Am 4. Oktober wird euer erstes Album "Finished
Soundtracks For Unshot Films" erscheinen.
PLEIL:
Nicht ganz. Es gab da noch eine Ausgabe mit handgeschnitztem
Holzcover! - Arsenal Heritage war das eigentliche Debut. Da
es aber nur eine einzige limitierte 300er Auflage gab ...
MAINZ:
Ja, unser kleiner starklimitierter Erstling hat uns arm gemacht.
Echtes Holz!
PLEIL:
Die meisten Exemplare sind auf mysteriöse Weise in obskursten
Quellen verschwunden. Ok, aus rechtlichen Gründen wird
es keine weitere Veröffentlichung unter diesem Namen mehr
geben, in sofern darf man "Finished Soundtracks.."
durchaus als Debut bezeichnen.
ELECTRIC
DIARY: Wie würdet ihr selbst die Musik beschreiben,
welche man zu hören bekommt?
PLEIL:
Babelfish nennt das Industrielle Raummusik. Das trifft es doch
wunderbar.
ELECTRIC
DIARY: Ihr habt euch der eher filmerisch wirkenden
Instrumental Musik verschrieben. Was ist für euch das Interessante
an eher epischen Klangwelten und gibt es sogar Vorbilder auf
dieser Ebene, welche Euch beeinflusst haben?
MAINZ:
Das
Interessante ist sicherlich der assoziative Ansatz, auf jeden
Ton ein Bild folgen zu lassen. Im Kopf zunächst.
PLEIL:
Ja, Ton vor Bild und in keinem Fall umgekehrt. Das war uns wichtig.
Vorbilder gibt es natürlich eine ganze Reihe, denn niemand
produziert im Vakuum. Amon Tobin, Steroid Maximus sind sicherlich
zwei davon.
ELECTRIC DIARY: Bitte erzählt
doch die Herangehensweise wie bei euch ein Lied entsteht. Arbeitet
ihr gemeinsam neue Ideen aus? Wie kann man sich diesen Prozess
vorstellen?
MAINZ:
Der ist so unterschiedlich wie die Stücke. Es muss auch
für uns selbst spannend bleiben und das ist es.
PLEIL:
Meistens gibt es eine Kernidee, oder Fragmente, die
einzeln ausgebrütet wurden. Der andere darf sie dann befruchten
und den ganzen biologischen Prozess in Gang setzen, der dann
gemeinsam ausgestanden wird.
ELECTRIC
DIARY: Berlin ist der Hauptsitz eures musikalischen
Schaffens. Kann man sagen, dass die Stadt auch ihren Einfluss
auf dem Album hinterlassen hat? Was inspiriert euch zu euren
Stücken?
PLEIL:
Im Grunde spielt Berlin keine Rolle. Die Musik ist die Summe
von sehr viel mehr.
MAINZ:
Auch bei uns ist die Inspiration vor allem der Tatsache geschuldet,
dass man irgendwann geboren wurde und seither die Uhr ja immer
lauter tickt.
ELECTRIC
DIARY: Da ihr euch als Instrumental Projekt versteht,
wird es somit auch niemals Gesang in Euren Songs zu hören
geben? Oder ist dies nicht auszuschließen für zukünftige
Veröffentlichungen?
MAINZ:
Wir
schließen gar nichts aus.
PLEIL:
Anstehen tut es aber auch nicht, wir kommen eigentlich ohne
Vocals im Moment ganz gut zurecht.
ELECTRIC
DIARY: Bestehende Texte vereinfachen die Suche nach
einem Titel für ein Stück. Wie bekommen eure Instrumental
Stücke ihren Namen?
PLEIL:
Assoziatives Gedankengut. Wie beschreibt man eine Szene? Aphorismen,
Cut-Ups. Ich schreibe mir Sachen auf, die ich mit Magneten an
eine Stahlpinnwand nagel. Das destilliert dann kräftig
vor sich hin. Bis Titel übrigbleiben.
ELECTRIC
DIARY: Ihr arbeitet mit einigen Samples. Wie gestaltete
sich die Auswahl geeignete Samples für das Album zu finden?
PLEIL:
Bisweilen ziehen wir auch mit dem Recorder durch die Stadt...
MAINZ:
Da fällt Material an, mit dem man direkt etwas verbindet.
Und das ganz Banale unkenntlich zu machen, ist auch ein Anliegen.
ELECTRIC
DIARY: Wie sieht es mit Zusammenarbeiten von Filmemachern
und Videokünstlern aus? In dieser Richtung soll auch etwas
geplant/aufgebaut werden?
PLEIL:
Es war schon mal soweit, aber die bekamen wohl etwas Angst vor
uns.
MAINZ:
Ton-Vor-Bild stiftet Verwirrung. Nur was sollen wir tun. Die
Musik ist nun mal fertig.
ELECTRIC
DIARY: Wenn ihr die Möglichkeit hättet
einen Film neu zu vertonen, welchen würdet ihr euch heraussuchen?
PLEIL:
Spontan? Stalker ... Tarkovsky ... Aber warum sollte man einen
bereits perfekten Soundtrack auswechseln?
MAINZ:
Eigentlich wollen wir gar keinen Film vertonen.
ELECTRIC
DIARY: Anders gefragt: Welche Art von Filmen seht
ihr zu "Finished Soundtracks For Unshot Films" vor
euch?
MAINZ:
Einen Film, der sehr stark verdichtet, der eine volle Stunde
Intensität halten kann. Es gibt so viele Bilder im Kopf.
Die dürfen auch persönlich sein. Unsere Musik soll
diese Bilder sortieren. Das Zusammenführen zum Film ist
harte Arbeit. Finden wir jemanden, der das übernimmt, dürfen
wir uns glücklich schätzen.
ELECTRIC
DIARY: Wird es Live-Präsentationen des Albums
geben?
PLEIL:
Definitiv nicht.
MAINZ:
Da wir nichts ausschließen, schließen wir auch das
nicht aus. Nur von uns wird es sie wahrscheinlich nicht geben.
ELECTRIC
DIARY: Welche weiteren Ziele/Pläne habt ihr
für Artridge gesteckt?
PLEIL:
Wir arbeiten mit aller Kraft am nächsten Album. Das sich
völlig von "Finished Soundtracks.." unterscheiden
wird. Unberechenbarkeit ist ein Teil der Grundidee.
MAINZ:
Ja, wir spüren Lücken auf und musizieren die zu. So
lange es noch Lücken gibt, wird das nicht aufhören.
ELECTRIC
DIARY: Das soll es von mir gewesen sein. Danke für
das Interview! Die letzten Worte gehören euch...
PLEIL:
It's amazing what you can do with 3 chords!
MAINZ:
Or MORE!
Interview: Thomas Tröger & Artridge
September 2004
Artridge:
Robin Pleil
Christoph Mainz
http://www.electric-diary.com/interview_artridge.html
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